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Der energetische Grund der Stimme
Der Kleber, mit dem der Zahnarzt das Keramikinlay eingesetzt hatte, reichte aus, um die Vokalisierung der Stimme einer meiner
Atemschülerinnen zu ruinieren. Ihre Stimme verlor außerdem an Höhe und Tiefe und konnte kaum noch von den Resonanzräumen um den Kehlkopf getragen werden. Sie war Sängerin. Der Schultergürtel war fest und die
Zwischen-Rippenmuskulatur schwang kaum noch. Dies sind die äußeren Gegebenheiten, die uns inzwischen genügen, um verständlich zu machen, weshalb eine qualifizierte Zahnsanierung der Sängerin ihre Stimme
zurückgab.
Manche Künstlerkarriere hat nach einer zahnärztlichen Behandlung ein Ende gefunden. Junge Talente kommen gar nicht mehr zur Ausbildung, weil
Kunststoffe den Kiefer zu fest erscheinen lassen. Wer eine große Stimme haben könnte, kann wegen Kunststoffbelastungen mit seiner Stimme den Raum nicht füllen. Manche persönliche Tragödie spielt sich ab, wenn
sich wegen dieses biologisch unverträglichen Zahnmaterials mancher gar nicht mehr auf die Bühne traut, weil er Resonanzen verliert, das Ineinander der Register brüchig wird und vor allem der tieftönende Klang
der Stimme ausdruckslos wird. Diese Qualitäten sind engstens mit dem Vokalatem verbunden.
Bei einer Sängerin führten die kunststoffhaltigen Zahnmaterialien wiederholt zu einer unbeherrschbaren
Aufgeregtheit. Statt auf der Bühne aufzutreten, landete sie wegen Schwindelanfällen - dem Zeichen für sensorischen Atemraumverlusts bei einer völlig zusammenbrechenden Leibgrenze - im Krankenhaus. Ihr war
es wegen der Kunststoffbelastung nicht vergönnt, auf der Bühne völlig selbstvergessen inmitten des Raumes zu sein, sich in ihm sensorisch zu positionieren und sensorisch über sich hinausgehend auszuweiten, also
expositional zu werden, weil sie in der Lampenfiebersituation ihren eigenen Binnenraum schlagartig im Schwindel verlor.
Für derartige Erscheinungen gilt es zunächst zu begreifen, wie sich der atembewegte Tonus moduliert, wenn sich ein darbietender Künstler
transsensisch in den umliegenden Vitalraum hinausbewegt, ohne jedoch sofort in eine dionysische Steigerung seiner Subjektivität zu geraten. Denkt ein Sänger etwa nur an einen Ton, geschieht wenig oder nichts.
Er bleibt präsent in der Dichte seiner Eigenräumlichkeit. Nimmt er aber die Haltung ein, als wolle er einen Ton singen oder eine Saite anschlagen, erhöht sich die Grundspannung, aktiviert sich wegen dieser
intentionalen BereitschaftsThematik die Atembewegung.
Eine deutliche Erregungszunahme wird spürbar, die Kehle hängt sich ein oder die Hand eines Instrumen- talisten wird lebendiger. Auf dem Lagetonus
mit seiner den Horizont füllenden und ihn verdichtenden Emp- findung baut sich das phasische Wechselspiel zwischen spontanem Innenantrieb und Reaktionsvermögen auf die äußeren Anregungen auf. Bereits das Singen-
oder Spielenwollen transformiert ein sozialpsychi- sches Situationsmilieu und verändert das Resonanzgefüge im leiblichen Informationsaustausch zwischen Innen und Außen.
Das So-Sein wird verlassen und wir stehen im Übergang zu einer empathischen Sinnesausrichtung, durch die neue Atemenergie entsteht. Unter Empathie
versteht man gemeinhin das Einfühlen in den anderen, ohne dass man das leibliche Unterfeld bedenkt, durch das diese dialogische Seelentätigkeit zustande kommt. . . .
Durch Kunststoffe in der Mundhöhle werden leibliche Fähigkeiten künstlerischer Darstellungssubtilität beeinträchtigt. Durch sie wird das
transsensische Weiten ungenügend, wodurch der atmosphärische, empathische und gedächtnisintegrative Resonanzkreis zwischen Innen und Außen unterbrochen wird. Fehlt dem Tun und dem Lassen ein ausreichend durch
Atembewegung gefüllter Empfindungsrückhalt, so verliert das repräsentative Geschehen in einer stimmlichen Darbietung. Wenn der Ausdruck nicht ungebrochen aus dem leiblichen Verhalten hervorgehen kann,
wird er durch erhöhten Willenseinsatz und angespannte Konzentration kompensiert. Infolge dessen wird die innere Lösungsdynamik weiter beeinträchtigt. Mimik, Gesten und Bewegungsgestalt erhalten eine
maskenhafte Tendenz, Worte erscheinen leer, was auch nicht mehr durch rhetorische Techniken überspielt werden kann, mittels denen die Rede in Fluss gehalten wird.
Das Wollen eines angestrebten Zielgehaltes, der etwa einem Sänger oder Sprecher als Ganzes vorschwebt, zerstört das ausdrucksvolle
Kreieren, wenn es gegen die leiblichen Möglichkeiten ankämpfen muss, statt von ihnen weitergetragen zu werden. Die absichtliche Körperführung kann sich nicht in die leibliche Zustandsbefindlichkeit, vor
allem nicht in die vitalen Tragkräfte des unteren Atemraums (Becken und Beine) einlassen, wenn der Schultergürtel festgehalten wird. Ist infolge dessen der Brustkorb in seiner Beweglichkeit durch Kunststoffe
eingeschränkt, verlangt eine klare Artikulation einen zu hohen Willenseinsatz. Durch zu hohe Konzentration wird der Innenimpuls beeinträchtigt und damit das Schöpferische im zu gestaltenden Ausdruck vernichtet.
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Inhaltsverzeichnis “Ruinöse Zahnwerkstoffe”
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