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Es sind im Grunde nur drei Grundformen, in deren vielschichtigen Variation sich die seelisch-geistige Be- deutung der Atembewegung als ein
Verhalten zur Welt zeigt: Erstens die Wellenschwingung (Sinusform) in der optimierten Spannung des guten Kontaktes, zweitens das steilere Auf und Ab als Steigerung der Aufmerksamkeit in eine Konzentration, dessen
Extrem die manifeste Angst (Zick-Zack) ist, und drittens die Girlandenform als Ruhehaltung, die vor der Grenze zur bewusst gehandhabten Intentionalität steht. Letzterer Extrem nunmehr ist die sensorische
Verbindungslosigkeit zur Welt, die sich als Atembewegung der Depression mit einer langen spannungslosen Pause zeigt, aus der dann vegetativ angetrieben die Einatembewegung hochschießt und nach der Luftauffüllung
sofort umkippt, um im Ausatem zusammenzufallen..
Wir stellen diese drei Grundformen einmal schematisch in ihrer räumlich-zeitlichen Organisation vor. Des weiteren geben wir einen Überblick über die
anthropologischen Bedeutungen der Atemfrequenzen. Und ab- schließend zeigen wir schematisch das Verhältnis von Zwerchfellstellungen und vegetativer Regulation.
Die Vollatembewegung ist eine biologische Tendenz, die sich in vielerlei Atemgestaltungen und das heißt inneren Differenzierungen und
energetischen Gewichtungen des Atemraumes sowie der Phasen des Atem- rhythmus zeigt. Bei jeder Vollatembewegung weitet sich der ganze Rumpf und der gesamte Leib wird bis in seine Extreme, den Scheitel und die
Fingerspitzen sowie die Fußzehen erfasst. Dieses Durchströmen ist das Ch’i oder das Prana oder die sogenannte Energie der verschiedenen Verfahren der Alternativmedizin.
Bei einer Vollatembewegung senkt sich das Zwerchfell, um mit dieser Abwärtsbewegung im Becken eine Spannung aufzubauen, aus der sich die
aufrichtende und antreibende Ausatemkraft entfaltet. Dafür darf das Zwerchfell jedoch nicht nur einfach absacken. Damit Spannung entsteht, braucht dessen Absenkungsbewe- gung einen Gegenhalt: Dieser ergibt sich
zunächst durch eine tonische Arretierung der unteren Rippen, wo- durch diese beweglich bleiben. Gegen die Zwerchfellabsenkung kann sich nunmehr der Brustkorb aufdehnen. Antagonistisch zur Zwerchfellabsenkung wird
eine auffächernde Rippenweitung möglich, mit der die varian- tenreich sich bewegende und mit dynamischen Ein- und Ausatemimpulsen reagierende Zwischenrippen- muskulatur ins Spiel eintritt.
Die tonische Formierung wird mit einer leichten Vorwärtsbewegung des Brustbeins vollzogen, was bei einer Eutonie der Gesamtmuskulatur Resultat von
deren Spanungserhöhung ist, die sich mit einer Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf die Umwelt automatisch vollzieht. Eine optimale Einatemstellung des Brustbeins bzw. durch den höher innvervierten Brustkorbs ist also
Resultat eine gelassenen Haltung zur Welt, die Ausrichtung des gesamten Sensoriums auf sie, ein leibliches Verhalten der kohärenten Verschränkung von Innen- und Außenraum. Es ist diese unterhalb des Bewusstseins
sich vollziehende Einstellung in einem sensorischen Bewegungsraum, das eine Vollatembewegung mit ihren spezifischen präkognitiven Wertungen hervorruft.
Grundformen der Atembewegung
Befinden
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Gesamttonu s/ Brustbein
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untere Rippen um Zwerchfell
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Atem- muskulatur
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Atemeinsatz
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Frequenz
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Bereitschaft
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euton/ vorgeschoben
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beweglich
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Zwerchfell voll
schwingungsfähig Rippenbewegung voll modulationsfähig
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zwischen 2. u. 4. Lendenwirbel
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konzentriert
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leicht angeho- ben/vorgestellt
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verstärkte tonische
Arretierung/Entlastung durch Seufzen
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Zwerchfell senkt sich nicht voll
ab/ Eingeschränkte Aufdehnung des Brustkorbs
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hoch zwischen 1. Lenden-
und 12. Brustwirbel
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Ruhe/ von der Außenwelt
abgewandt
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leicht abgesenkt/ eingesunken
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Spannungslos Entlastung durch
Gähnen
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Zwerchfell ist abge-
senkt/eigenständige Dynamik in der kaum bemerkbaren Rippen- bewegung fehlt
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tief zwischen
5. Lendenwirbel und Kreuzbein
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Anthropologische Bedeutung einiger Atemfrequenzen (Abwandlungen der drei Grundformen)
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Sich einer Situation selbssicher stellen
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Depression
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Angst
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durch langen (Aus)Atem sich durchsetzendes
und dieSituation wandelndes Handeln
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Wegschieben der Welt
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Fliehen
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weisende Gebärde
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unklar, uneindeutig, ohne Stellungsnahme
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schizoides Verhalten
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hingebende Gebärde
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Peripherieatem vor erstem Schrei und letztem
Atemzug, vor einer Wandlungspause oder beim Lampenfieber
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manifeste Angst, Hyperventilation (Hochatem)
Perversion oder Psychose (paradoxe Zerchfellbewegung)
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Zwerchfellstellungen und vegetative Regulation
Zwerchfellstellung
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Tonus
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Frequenz
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veg. Regulationsaufbau
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gut eingespannt und weit schwingungsfähig
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euton Lösung durch das jeweilige Tun und Lassen
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vielgestaltige Sinusschwingungen sowie variable an- und absteigende Atemphasen
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situativ anpassungsfähig
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Hochstellung
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Überspannung Abschlaffen nach Aktivität
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Zick-Zack ohne Übergänge bei den Atemphasen
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zu hektisch und instabil, schießt über und bricht immer wieder zusammen
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Tiefstellung
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Unterspannung lähmendes Erregtsein nach Aktivität
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flache Girlande
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zu langsam, erreicht nie die volle und die optimale Leistungsfähigkeit
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