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Atmen als Erlebniskunst

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Die Mimik und Geste sind unwillkürlich hervorgebrachte Ausdrucksbewegungen. Sie drücken Echtes der Per- son aus, wenn sie von einer fließenden Atembewegung getragen werden. Dies gilt auch für das Sprechen und das Singen, die ein Repräsentationsgeschehen darstellen, bei dem Handlung und Ausdruck zusammen- gebunden sind. Es interessiert also weniger, dass sich eine Stimme durch herausströmende Luft bildet, sondern dass die Stimme vielmehr „eine Atembewegung“ ist, wie die große Gesangspädagogin Franziska Martienssen-Lohmann in ihrer Schrift vom “wissenden Sänger” feststellte.

Das Ausdrucksvolle des darstellenden Künstlers ist bereits Geschaffenes. Sein Tun steht auf der Schwelle zur Kreativität. Die Bewegtheit einer musikalischen Darbietung, das gefühlsintensive Ausfüllen der Darstel- lungsfläche durch einen Schauspieler und das bunte Spiel der Farben beim Malen eines Bildes zeugt von einer vielgestaltigen Innenbewegung. Die empfindungsdifferenzierende Atembewegung verschafft dem dar- stellenden Künstler jene Präzisionsfähigkeit, welche seine Subjektivität in eine Form gießt und diese nicht hemmungslos in eine dionysische Steigerung hineinschlittern lässt.

Auf der Bühne geht der darstellende Künstler aus sich heraus. Er macht sich breit, er dehnt sich aus, er weitet sich, selbst dann, wenn er eine kleinkarierte Figur darstellt. Er bewegt sich sensorisch in den Raum hinaus. Auf diese leibliche Dimension des Atmens macht uns in besonderer Weise das Lampenfieber aufmerksam. Dieses ist eine webende Atemweise, welche die Körperwände erfasst. Der Künstler verharrt dabei sensorisch auf der Schwelle zwischen Innen und Außen. Er geht weder über sich hinaus noch flieht er vor der Anforderung in sich zurück. Er taxiert vielmehr durch eine periphere Atemweise aus und bereitet sich auf eine Situation vor, in der er sich nicht mehr verstecken kann und die ihm nur gelingt, wenn er sich selbst überschreitet.

Denkt etwa ein Sänger nur an einen Ton, geschieht wenig oder nichts. Er verbleibt lediglich in der Dichte seiner Eigenräumlichkeit, wird aber nicht für das Publikum präsent. Nimmt er aber nur die Haltung ein, als wolle er einen Ton singen oder eine Saite seines Instrumentes anschlagen, erhöht sich bereits seine Grundspannung. In ihr schlägt sich seine Bereitschaft nieder, im Raum sensorisch nach außen zu sein. Durch die intentionale Haltung kann sich eine Vollatembewegung freisetzen, die durch ein modulationsfähiges Zwischenrippenspiel mit  Ein- und Ausatemimpulsen das weitere Geschehen dynamisiert.

Ohne die Fähigkeit zum vital-sensorischen Ausbreitungsverhalten im Raum, im „Über-sich-hinaus-sein“ (Volkmar Glaser/Ludwig Binswanger) bleibt das Gespielte, das Gesungene und das Gesprochene des darstellenden Künstlers beim Publikum resonanzlos. Erst durch diese vitale Pathie kann der Funken überspringen, von dem das Schauen und Hören als Sinn lebt. Der räumliche Abstand zum Fernen muss auch vom Publikum überwunden werden, das nur dann über den Auftretenden sein sensorisches Kleid wirft, wenn dieser transsensisch präsent ist. Der darstellende Künstler oder der Redner leistet den Zentralbeitrag zur Sphärenbildung. Im Mitschwingen entstehen die informatorischen Resonanzbeziehungen.

Endgültig jenseits der Ausdrucksthematik stellt sich der darstellende Künstler im kreativen Akt vor, wenn er im von ihm gestimmten Raum mit dem Publikum kommuniziert und dessen Phantasie abverlangt. Nicht mehr sein Ich interpretiert als stünde der Künstler auf der Kanzel. In der entstandenen Sphäre des Selbstzwecks erzeugt sich ein schöpferisches Werk in der Darstellung durch einen Akt der Intimität, der auch das Publikum involviert. Hier zeigt sich das Wirken des Atems eindgültig in seiner weilichen Kraft.

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